Frau Dr. Grünewald, Sie sind praktisch mit der Pandemie in Ihren neuen Job als Präsidentin der IHK gestartet. Was sind die neuen Herausforderungen für Sie?
Ja, das war ein Start von 0 auf 100. Aber es war auch eine Chance, denn gerade in Krisenzeiten kann eine IHK gut zeigen, wozu sie da ist. Die Unternehmen brauchen eine starke Stimme und eine kompetente Anlaufstelle für ihre Fragen und Nöte. Unsere Corona-Hotline war gerade in den chaotischen Anfangstagen sieben Tage die Woche für unsere Mitgliedsunternehmen da – und wir haben die Anliegen unserer Unternehmen in der kommunalen Politik, aber auch auf Landes- und Bundesebene gut platzieren können.
Bei den Messen und Veranstaltungen sind die Umsätze durch die Einschränkungen der Pandemie ja von einem auf den anderen Tag auf Null zurückgegangen. Im Hotelgewerbe und in der Kreativwirtschaft sieht es nicht viel besser aus. Um wen machen Sie sich die größten Sorgen?
Das, was hier seit einem Jahr passiert, ist eigentlich unvorstellbar. Wir sind für die Unternehmen in den betroffenen Branchen da, ich tausche mich z. B. in Videokonferenzen mit ihnen aus, um auf dem neuesten Stand zu sein. Mir geht das immer richtig unter die Haut und ich mache mir um jedes Unternehmen Sorgen, das unverschuldet in eine Notlage geraten ist. Es ärgert mich sehr, dass die Hilfen so kompliziert zu beantragen sind und teilweise erst nach Monaten ankommen. Und ich kann nicht verstehen, dass Unternehmen in Krisenzeiten mit noch mehr Bürokratie belastet werden. Das geht nicht.
Welche Perspektiven gibt es für die Veranstaltungswirtschaft? Wie werden diese mit der IHK erarbeitet?
Das Schlimmste ist, dass es auch für diese Unternehmen bislang keine klare Perspektive gibt. Dabei ist auch diese Branche für Köln so wichtig! Ich bin sehr beeindruckt von den kreativen Ideen, die von den Unternehmen entwickelt werden. Unsere Aufgabe ist es, uns für deren Umsetzung bei Politik und Verwaltung stark zu machen. Das gestaltet sich wegen der ständig neuen Wellen, der hohen Inzidenzzahlen und der daraus folgenden großen Unsicherheit etwas schwierig. Der sicherste Weg zu mehr Veranstaltungen führt daher über die Impfungen und dafür brauchen wir Impfstoff.
Was muss dieses Jahr dringend angestoßen werden − für Veranstalter, Hoteliers und Gastronomen?
Kurzfristig müssen die Hilfen ankommen, damit die Unternehmen überhaupt überleben können. Eins ist klar: Kein Unternehmen möchte, dass sich Menschen mit Corona anstecken. Ich erwarte, dass Politik und Verwaltung unseren Unternehmen vertrauen. Es gibt viele gute Konzepte, die auf die Erlaubnis warten, umgesetzt zu werden. Im Rahmen der Ernennung der Stadt Köln zur Modellregion wird das hoffentlich Fahrt aufnehmen. Wir werden unsere Unternehmen dabei mit aller Kraft unterstützen.
Sie sind die erste Präsidentin in der Geschichte der Kölner IHK. Kann eine Frau an der Spitze der IHK den Prozess, dass künftig mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten, mitgestalten?
Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass mehr Frauen in Führung kommen. Schlüssel sind hier vernünftige Rahmenbedingungen, richtiges Netzwerken und eine höhere Sichtbarkeit von Frauen in Spitzenpositionen. Dafür setze ich mich bei der Politik und in der Öffentlichkeit ein − und ich ermutige gerade auch junge Frauen, Unternehmen zu gründen, Karriere zu machen und Führungspositionen anzupeilen. Es ist ja prinzipiell alles möglich, aber als Frau braucht es manchmal einen etwas längeren Atem.
Stellen Sie sich vor, alles ist wieder wie vor dem Ausbruch der Pandemie − welchen Lieblingsplatz in Köln steuern Sie an?
Mein Lieblingsplatz in Köln ist der Vierungsturm auf dem Kölner Dom. Dort oben zu stehen und wieder auf eine lebendige Stadt zu schauen, in der sich niemand mehr über die Einhaltung von Abständen oder über die Verfügbarkeit von Impfstoffen Gedanken zu machen braucht, wäre wirklich ein Traum.
Interview